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Veröffentlicht am 07.01.2021 von Rechtanwalt Gregor Samimi, Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie Fachanwalt für Versicherungsrecht in Berlin (Steglitz-Zehlendorf).

Fahrradfahrer und Fußgänger kommen sich gerade im Stadtverkehr einer Großstadt häufig in die Quere. Wer trägt im Zweifel die Schuld? In diesem Praxisbeitrag erfahren Sie, wie Sie, wie die Rechtslage ist und wie Sie sich verhalten sollten.

Verkehrsunfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern

Die Angeklagte war am frühen Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als sie – ohne abzusteigen – mit ihrem Fahrrad den Fußgängerweg befuhr, um alsbald anzuhalten und ihr Fahrrad abzuschließen. In dieser kurzen Zeitspanne kam es jedoch auf dem Fußgängerweg zu einer Kollision zwischen der Radfahrerin und einem Arbeitnehmer der BSR, welcher mit einer Mülltonne eine Toreinfahrt verließ. Er erlitt Verletzungen. Aufgrund der erfolgten ärztlichen Behandlung des Arbeitnehmers nimmt nun seine Unfallkasse die Radfahrerin auf Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro in Anspruch. Im Weiteren wird die Radfahrerin wegen einer fahrlässigen Körperverletzung (§ 229) angeklagt.

Pflichten des Radfahrers

Ein Unfall zwischen einem Radfahrer und einem Fußgänger kann ganz erhebliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen!

Wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer gilt auch für Radfahrer die Grundregel des § 1 StVO, nach der die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert. Neben der Pflicht zur angepassten Geschwindigkeit bestehen darüber hinaus zahlreiche besondere Verhaltensregeln nach der StVO.

Radfahren auf dem Gehweg

Das Befahren von Gehwegen ist für Radfahrer nur bei einer ausdrücklichen Freigabe („Radfahrer frei“) gestattet. Gem. § 2 Abs.  StVO besteht jedoch für Kinder unter 10 Jahren eine Sonderregelung; diese müssen bis zum 8. und dürfen bis zum 10. Lebensjahr mit ihren Fahrrädern stets Gehwege benutzen.

Demgegenüber hat das OLG Hamm (Urteil v. 13.10.1994 – 27 U 13/93) für Erwachsene entschieden, dass das Befahren eines nicht freigegebenen Gehwegs mit dem Fahrrad gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstößt. Wer demnach als Erwachsener auf dem Fußgängerweg nicht von seinem Fahrrad absteigt, um dieses zu schieben, handelt in der Regel grob verkehrswidrig.

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Alkoholkonsum beim Radfahren

Die absolute Fahruntüchtigkeit liegt beim Radfahren bei 1,6 Promille. Eine alkoholisierte Fahrradfahrt ist haftungsrechtlich nur relevant, wenn sie sich im Unfallgeschehen niedergeschlagen hat.

Helmpflicht

In Deutschland besteht grundsätzlich keine Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms. Der BGH hat unter anderem aus diesem Grund mit einem Urteil vom 17.6.2014 entschieden (Az.: VI ZR 281/13), dass einem bei einem Verkehrsunfall geschädigten Radfahrer kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Helms anzulasten ist, solange zum Unfallzeitpunkt keine Helmpflicht besteht.

Beleuchtung

Gem. § 17 Abs. 1 StVO sind während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen zu benutzen. Kommt der Fahrradfahrer dieser Pflicht nicht nach, begründet § 17 Abs. 1 StVO den Beweis des ersten Anscheins, dass das Fehlen der Beleuchtung für den Unfall ursächlich geworden ist.

Haftung bzw. Mithaftung des Radfahrers

Für einen Schaden, den ein Radfahrer schuldhaft verursacht, haftet er nach § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB. Ob eine umfassende Haftung oder lediglich eine Mithaftung zu einer bestimmten Quote erfolgt, hängt vom Ergebnis der Haftungsabwägung ab.

Kombinierte Fuß- und Radwege

Auf einem Sonderweg, der eine Mischung des Radverkehrs mit den Fußgängern auf einer gemeinsamen Verkehrsfläche bewirkt, haben Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass kombinierte Fuß- und Radwege nur dann angelegt werden sollen, wenn dies nach den Belangen der Fußgänger – insbesondere älterer Verkehrsteilnehmer und Kinder – im Hinblick auf die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint. Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen. Selbstverständlich haben auch Fußgänger auf Radfahrer Rücksicht zu nehmen und diesen die Möglichkeit zum Passieren zu geben; sie dürfen jedoch den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und müssen insbesondere nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau halten. Den Radfahrer treffen demnach in erhöhtem Maße Sorgfaltspflichten. Insbesondere bei einer unklaren Verkehrslage muss gegebenenfalls durch Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger gesucht werden. Erforderlichenfalls muss Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, damit ein sofortiges Anhalten möglich ist, oder sogar vom Fahrrad abgestiegen werden.

Für Radfahrer mit einem Zusatzschild „Radfahrer frei“ freigegebener Gehweg

Diese Maßstäbe gelten erst recht auf reinen Gehwegen, die lediglich durch ein Zusatzschild für Radfahrer freigegeben werden. Das Zusatzschild „Radfahrer frei“ eröffnet dem Radverkehr nur ein Benutzungsrecht auf dem Gehweg; er befindet sich dementsprechend nur als „geduldeter Gast“ auf dem Gehweg. Den Belangen der Fußgänger kommt in diesem Fall ein besonders erhöhtes Gewicht zu; insbesondere darf der Radverkehr nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.

„Faktische“ Fußgängerzone

Umso mehr gelten diese Maßstäbe in einer „faktischen“ Fußgängerzone: In einem Bereich, in dem Fußgänger nur mit „Fahrradschiebern“ rechnen müssen, haben die Belange von Fußgängern überragendes Gewicht. Ein Fußgänger, der nämlich in einer „faktischen“ Fußgängerzone unterwegs ist, muss nicht mit verbotswidrig radfahrenden Verkehrsteilnehmern rechnen. Kommt es zu einer Kollision zwischen dem Fußgänger und dem Fahrradfahrer, so trägt der Fahrradfahrer die Alleinschuld am Unfall; der Fußgänger haftet nicht.

Ein Erwachsener, der den Bürgersteig mit dem Fahrrad befährt, verstößt demnach gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 1 Abs. 2 StVO und handelt in der Regel grob verkehrswidrig.

Grünanlagen und Fahrradunfall

Das Radfahren in Grünanlagen ist keine Selbstverständlichkeit. Aus diesem Grund muss in solchen Gebieten darauf geachtet werden, ob das Fahrradfahren mit einem Zusatzschild gestattet ist. Ist dies der Fall, so hat die Sicherheit der Fußgänger in der Grünanlage stets Vorrang. Es gelten die bisherigen Maßstäbe, die eine erhöhte Sorgfaltspflicht des Fahrradfahrers begründen.

Beispiele zu den Haftungsquoten beim Fahrradunfall

Ein Verkehrsunfall zwischen einem Auto und einem Fahrrad
Fahrlässige Körperverletzung in der Probezeit: Folgen für Führerschein und Fahrer

Auf der Grundlage dieser Grundsätze folgt eine Haftungsabwägung. In der Vergangenheit kam es in Gerichtsentscheidungen zur folgenden Haftung bzw. Mithaftung eines Radfahrers:

HaftungSachverhalt
100 %Rennradfahrer kollidiert auf Radweg mit JoggernBetrunkener Radfahrer befährt gemeinsamen Fuß-/RadwegKollision zwischen Radfahrer und entgegenkommendem Fußgänger auf gemeinsamen Fuß-/Radweg  
75 %Radfahrer nähert sich auf Radweg zwei vorausgehenden Fußgängerinnen  
Ohne QuoteRadfahrer mit unangepasster Geschwindigkeit kollidiert in unklarer Verkehrssituation mit Fußgängerin auf der Fahrbahn
Haftungsquoten für Fahrradfahrer*Innen
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Gregor Samimi TOP Bester Star Anwalt Verkehrsanwalt Berlin Deutschland
Rechtsanwalt Gregor Samimi
Fachanwalt für Strafrecht, Verkehrsrecht & Versicherungsrecht

Regressanspruch zugunsten der Unfallkasse gegen einen Dritten als Unfallverursacher

Erleidet ein Arbeitnehmer einen Verkehrsunfall, so kommt die gesetzliche Unfallversicherung für alle erlittenen Gesundheitsschäden (zB: Heilbehandlungskosten, Rehabilitationsmaßnahmen und Erwerbsfähigkeits- oder Hinterbliebenenrenten) auf.  Da derartige Unfälle hohe Kosten verursachen können, hat der Gesetzgeber in § 110 SGB VII die Möglichkeit geschaffen, dass gesetzliche Unfallversicherungen unter bestimmten Voraussetzungen diejenigen für die entstandenen Kosten in Regress nehmen dürfen, die den Personenschaden zu verantworten haben. Dazu muss das zum Unfall führende Handeln vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt sein.

Grobe Fahrlässigkeit

Bei einem rein fahrlässigen Handeln bestehen nach dem Gesetz keine Regressansprüche zugunsten der gesetzlichen Unfallversicherung gegen einen Dritten als Unfallverursacher. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass dieser grob fahrlässig gehandelt hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann grobe Fahrlässigkeit nur dann angenommen werden, wenn in objektiver Hinsicht ein schwerer und in subjektiver Hinsicht ein nicht entschuldbarer Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorliegt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss das unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem anderen hätte einleuchten müssen.

Konkreter Fall zum Fahrradunfall

In dem zu Beginn dargelegten Fall befährt die Radfahrerin einen Gehweg, der nicht für Fahrräder freigegeben ist. Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Erwachsener, der den Bürgersteig mit dem Fahrrad befährt, grob verkehrswidrig handelt. Er verstößt gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO. Die Angeklagte handelte somit grob fahrlässig; sie ließ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht außer Acht.

Da der Arbeitnehmer auch in dem Fußgängerbereich nicht mit einem Fahrradfahrer rechnen musste, trägt der Fahrradfahrer die Alleinschuld am Unfall; der Fußgänger haftet nicht.

Aufgrund ihres grob fahrlässigen Verhaltens und als Verursacherin des Personenschadens kann die gesetzliche Unfallversicherung die Angeklagte in Regress nehmen und die Schadensersatzansprüche geltend machen, die dem Arbeitnehmer gegenüber der Angeklagten zustehen.

Die Radfahrerin haftet somit in voller Höhe für das Geschehen.

Urteil

Immer wieder kommt es vor, dass Kraftfahrzeugführer mit ihrem Fahrzeug zurücksetzen und hierbei Radfahrer übersehen. Nicht selten kommen Radfahrer hierbei zu Fall und werden schwer verletzt. Über einen solchen Fall hatte das Landgericht Berlin zu befinden und verurteilte die Krafthaftpflichtversicherung und den Fahrer des Fahrzeuges unter anderem zu einem beträchtlichen Schmerzendgeld in Höhe von 10.000 Euro: Urteil des Landgericht Berlin vom 03.05.2022, Az.: 45 O 78/20.

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Rechtsanwalt Gregor Samimi, Anwalt für Verkehrsrecht in Berlin Steglitz

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Beitrag herausgegeben von RA Gregor Samimi, Berlin.

Autor/in des Artikels: Rechtsanwalt Gregor Samimi
Dieser Artikel wurde herausgegeben von Gregor Samimi.

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