1.677 Wörter, 9 Minuten Lesezeit. Zuletzt aktualisiert am 27.08.2025, um 12:50 Uhr, von Rechtsanwalt Gregor Samimi.
Wer im Straßenverkehr unterwegs ist, kennt die Gefahr: Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, ein kleiner Fehler – und schon kommt es zu einem Unfall. Nicht selten sind dabei auch Menschen verletzt. In solchen Fällen wird der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB erhoben. Für Betroffene ist der Schock groß, wenn plötzlich ein Schreiben der Polizei im Briefkasten liegt, in dem sie als Beschuldigter geführt werden. Viele Verbraucher wissen dann nicht, wie sie reagieren sollen, welche Strafen drohen und welche Schritte jetzt wichtig sind.
Was bedeutet „fahrlässige Körperverletzung“ im Straßenverkehr?
Von einer fahrlässigen Körperverletzung spricht das Gesetz, wenn jemand durch Unachtsamkeit oder Pflichtverletzung im Straßenverkehr die Gesundheit eines anderen Menschen schädigt, ohne dies gewollt zu haben. Entscheidend ist, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn der Fahrer die erforderliche Sorgfalt eingehalten hätte.
Beispiele:
- Jemand übersieht beim Abbiegen einen Radfahrer, weil er sich nicht ausreichend vergewissert hat.
- Ein Autofahrer fährt auf ein stehendes Fahrzeug auf, weil er das Handy benutzt und abgelenkt war.
- Ein Fahrer missachtet die Vorfahrt und stößt mit einem Motorradfahrer zusammen, der sich verletzt.
In all diesen Fällen kann der Vorwurf lauten: „Sie haben sich der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB strafbar gemacht.“
Typische Fälle aus der anwaltlichen Praxis
Aus meiner Praxis als Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht kenne ich die Sorgen und Ängste der Betroffenen. Besonders häufig begegnen mir folgende Konstellationen:
- Auffahrunfall durch Ablenkung: Ein Mandant hatte nur kurz aufs Handy geschaut, der Vordermann bremste plötzlich. Es kam zum Auffahrunfall, bei dem der Beifahrer im vorderen Fahrzeug ein Schleudertrauma erlitt.
- Rotlichtverstoß: Eine Fahrerin fuhr bei Rot über die Ampel, ein Radfahrer wurde angefahren und verletzt. Obwohl sie glaubte, noch „bei Gelb“ gefahren zu sein, stand schnell der strafrechtliche Vorwurf im Raum.
- Übermüdung und Sekundenschlaf: Ein Berufskraftfahrer nickte auf der Autobahn für Sekunden ein und verursachte einen Unfall mit mehreren Verletzten.
- Alkoholeinfluss: Ein Autofahrer war nach einem Abend mit Freunden leicht alkoholisiert unterwegs. Bei einem missglückten Überholmanöver verletzte sich ein anderer Verkehrsteilnehmer schwer.
Diese Beispiele zeigen: Fahrlässigkeit bedeutet nicht Absicht, sondern oft alltägliche Fehler, die gravierende Folgen haben können. Umso wichtiger ist eine sachgerechte Verteidigung, die die individuellen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.
Welche Strafen drohen?
Das Gesetz sieht für fahrlässige Körperverletzung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor. Die konkrete Strafe hängt von vielen Faktoren ab:
- Schwere der Verletzung
- Vorstrafen oder Verkehrsverstöße in der Vergangenheit
- Grad der Fahrlässigkeit (z. B. leichte Unachtsamkeit vs. grobe Pflichtverletzung)
- Verhalten nach dem Unfall (Erste Hilfe, Kooperation, Reue)
In vielen Fällen kommt es bei Ersttätern zu einer Geldstrafe. Bei schwereren Verletzungen, Alkohol oder mehrfachen Vorfällen kann auch eine Bewährungsstrafe drohen.
Neben der Strafe stehen oft Nebenfolgen wie:
- Fahrverbot oder Führerscheinentzug
- Punkte in Flensburg
- Probleme mit der Versicherung (Regressforderungen)
- Zivilrechtliche Ansprüche der Geschädigten (Schmerzensgeld, Schadensersatz)
Warum anwaltliche Verteidigung so wichtig ist
Viele Betroffene glauben anfangs, dass eine „ehrliche Aussage“ bei der Polizei genüge. Doch das Gegenteil ist oft der Fall: Unüberlegte Angaben können später gegen Sie verwendet werden. Gerade im Straßenverkehr ist es entscheidend, rechtzeitig die Verteidigung zu strukturieren.
Ein erfahrener Strafverteidiger prüft u. a.:
- War der Unfall wirklich vermeidbar oder lag ein Mitverschulden des Verletzten vor?
- Liegen die medizinischen Gutachten korrekt vor?
- Gibt es Zeugen, die den Ablauf anders schildern?
- Ist die Schwere der Verletzung ausreichend belegt?
Ziel ist es, Strafen zu mildern, ein Verfahren einzustellen oder zumindest Nebenfolgen wie Führerscheinentzug zu vermeiden.
Zitat zum Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung
„Der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung trifft viele Autofahrer völlig unvorbereitet. Umso wichtiger ist es, nichts dem Zufall zu überlassen und frühzeitig eine durchdachte Verteidigungsstrategie zu entwickeln – oft lassen sich Verfahren einstellen oder die Folgen erheblich abmildern.“ Gregor Samimi, Rechtsanwalt

Häufige Fragen (FAQ) zur fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr
1. Ich habe Post von der Polizei bekommen – was soll ich tun?
Wenn Sie ein Schreiben der Polizei erhalten haben, in dem Sie als Beschuldigter geführt werden, sollten Sie zunächst keine Angaben zur Sache machen. Sie haben das Recht zu schweigen. Viele Betroffene denken, sie könnten die Sache „klarstellen“ – doch jedes Wort kann später gegen Sie verwendet werden.
👉 Der richtige Schritt ist, sofort einen Anwalt für Strafrecht bzw. Verkehrsrecht zu kontaktieren, der Akteneinsicht beantragt und den tatsächlichen Sachverhalt prüft.
2. Droht mir eine Vorstrafe, wenn ich verurteilt werde?
Das hängt von der Höhe der Strafe ab. Bei einer Geldstrafe unter 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten (zur Bewährung) erfolgt keine Eintragung ins Führungszeugnis. Erst höhere Strafen erscheinen dort. Trotzdem wird die Tat im Bundeszentralregister vermerkt.
Ein erfahrener Verteidiger kann häufig erreichen, dass das Verfahren eingestellt wird oder es bei einer geringen Strafe bleibt.
3. Verliere ich meinen Führerschein?
Nicht in jedem Fall. Ein Fahrverbot oder Führerscheinentzug kommt vor allem bei grober Fahrlässigkeit, Alkoholeinfluss oder schweren Verletzungen des Unfallopfers in Betracht. In anderen Fällen drohen lediglich Punkte in Flensburg.
Ein Anwalt kann im Verfahren gezielt darauf hinwirken, dass Sie Ihre Fahrerlaubnis behalten – etwa durch Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft oder das Aufzeigen mildernder Umstände.
4. Welche Rolle spielt die Versicherung?
Nach einem Unfall reguliert zunächst Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden des Verletzten. Doch Vorsicht: Stellt sich heraus, dass Sie grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt haben, kann die Versicherung Regressforderungen gegen Sie stellen. Das bedeutet, dass Sie einen Teil der gezahlten Summe zurückerstatten müssen.
Auch deshalb ist es wichtig, das Verfahren nicht unüberlegt laufen zu lassen, sondern die rechtlichen Folgen von Anfang an professionell abzusichern.
5. Kann ich das Verfahren einstellen lassen?
Ja – in vielen Fällen besteht die Möglichkeit, dass das Verfahren nach §§ 153, 153a StPO eingestellt wird. Das kann zum Beispiel passieren, wenn es sich um eine leichte Fahrlässigkeit handelt, der Verletzte nur geringfügig geschädigt wurde oder Sie eine Wiedergutmachung leisten.
Hier zeigt sich der Wert eines spezialisierten Anwalts: Er kennt die Argumentationslinien und weiß, wie er die Staatsanwaltschaft oder das Gericht von einer Einstellung überzeugen kann.
6. Warum sollte ich unbedingt einen Anwalt beauftragen?
Die Verteidigung gegen den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung ist komplex. Es geht nicht nur um die Strafhöhe, sondern auch um den Führerschein, die finanziellen Folgen und sogar um den guten Ruf. Verbraucher laufen Gefahr, ohne anwaltliche Hilfe schwerwiegende Konsequenzen hinnehmen zu müssen, die vermeidbar gewesen wären.
7. Zahlt meine Verkehrsrechtsschutzversicherung die Verteidigungskosten?
In vielen Fällen übernimmt eine Verkehrsrechtsschutzversicherung die Kosten für die Verteidigung bei einer fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr.
Allerdings gibt es zwei wichtige Einschränkungen:
- Versicherungsumfang prüfen – die Police muss den Bereich Strafrechtsschutz im Verkehrsrecht ausdrücklich abdecken.
- Vorsatz ausgeschlossen – wenn Ihnen vorsätzliches Handeln vorgeworfen wird, besteht in der Regel keine Deckung. Die Versicherung zahlt aber, solange es um fahrlässiges Verhalten geht. Sollte das Gericht später auf Vorsatz erkennen, könnte die Versicherung ihre Leistungen verweigern.
👉 Tipp: Ein Anwalt kann für Sie die Deckungsanfrage bei der Versicherung übernehmen, sodass Sie keine formalen Fehler machen.
8. Wie hoch sind die Anwaltskosten ohne Rechtsschutzversicherung?
Die Kosten für die Verteidigung hängen von mehreren Faktoren ab:
- Art des Verfahrens (Polizeiliche Ermittlung, Verfahren vor dem Amtsgericht, Berufung usw.),
- Aufwand des Verteidigers (z. B. Verhandlungstermine, Schriftsätze, Akteneinsicht),
- ob eine Einstellung erreicht werden kann oder eine Hauptverhandlung notwendig wird.
Als grober Anhaltspunkt:
- Erstberatung: ab ca. 100–250 € (netto),
- Verteidigung im Ermittlungsverfahren: meist zwischen 500–1.500 €,
- Hauptverhandlung vor Gericht: je nach Umfang 1.000–3.000 € oder mehr.
Diese Beträge richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), können aber im Rahmen einer Honorarvereinbarung auch anders gestaltet werden. Eine eintrittspflichte Rechtsschutzversicherung übernimmt regelmäßig nur die gesetzliche Rechtsanwaltsvergütung, die weit unterhalb der oben genannten Beträge liegen.
👉 Wichtig für Verbraucher: Oft lassen sich Verfahren durch einen Anwalt frühzeitig einstellen, was nicht nur Nerven schont, sondern auch die Kosten erheblich reduziert.
Haben Sie eine Verkehrsrechtsschutzversicherung, übernimmt diese in aller Regel die Kosten, solange Fahrlässigkeit im Raum steht.
Ohne Rechtsschutzversicherung müssen Sie mit dreistelligen bis niedrigen vierstelligen Beträgen rechnen – eine Investition, die sich lohnt, um Führerschein, Geld und Eintragungen zu retten.
9. Übernimmt meine Kfz-Versicherung Schadensersatz und Schmerzensgeld?
Grundsätzlich ja:
Kfz-Haftpflichtversicherung: Sie ist gesetzlich verpflichtet, berechtigte Ansprüche des Geschädigten zu regulieren. Das umfasst Schmerzensgeld, Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall oder auch Schäden am Fahrzeug des Unfallgegners.
Abwehr unberechtigter Forderungen: Gleichzeitig prüft die Versicherung auch, ob die Forderungen des Geschädigten berechtigt sind, und wehrt überzogene oder unrechtmäßige Ansprüche ab.
👉 Das bedeutet: In den meisten Fällen müssen Sie als Versicherungsnehmer nicht persönlich für hohe Schadenssummen aufkommen.
10. Wann kann die Versicherung Regress nehmen?
Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung Rückgriff nehmen kann – also von Ihnen als Fahrer Geld zurückfordert:
- Trunkenheitsfahrt oder Drogenkonsum (Fahren unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln),
- Fahren ohne Fahrerlaubnis,
- vorsätzlich herbeigeführter Unfall.
In diesen Fällen kann die Versicherung Regress verlangen. Die Höhe des Regresses bestimmt sich nach den Versicherungsbedingungen.
11. Was ist mit meiner Vollkasko-Versicherung?
Die Vollkasko zahlt den Schaden am eigenen Fahrzeug – allerdings können Sie auch hier bei grober Fahrlässigkeit Probleme bekommen. Einige Versicherungsverträge enthalten jedoch eine “Verzichtsklausel auf den Einwand grober Fahrlässigkeit”, was für Verbraucher ein großer Vorteil ist.
📌 Fazit für Mandanten:
- Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlt in der Regel die Kfz-Haftpflichtversicherung.
- Persönlich haften Sie nur in Ausnahmefällen, etwa bei Trunkenheit, grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz.
- Ein Anwalt kann prüfen, ob Ihre Versicherung tatsächlich leisten muss oder ob Regress droht.
Ein Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht:
- beantragt Akteneinsicht, die Sie selbst nie erhalten würden,
- prüft, ob die Verletzung tatsächlich durch Sie verursacht wurde,
- verhandelt mit Staatsanwaltschaft und Gericht,
- sorgt dafür, dass Strafen und Nebenfolgen möglichst gering bleiben.
👉 Deshalb lautet die klare Empfehlung: Lassen Sie sich frühzeitig anwaltlich vertreten, bevor Sie Angaben machen oder Fristen verstreichen.
Fazit für Verbraucher
Fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr ist ein Vorwurf, der ernst genommen werden muss. Auch wenn Sie den Unfall nicht absichtlich verursacht haben, drohen erhebliche Strafen, finanzielle Belastungen und Einschränkungen im Alltag. Je früher Sie einen spezialisierten Anwalt einschalten, desto größer sind die Chancen auf eine Einstellung des Verfahrens oder eine milde Strafe.
„Im Straßenverkehr genügt oft ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, um sich plötzlich mit einem Strafverfahren konfrontiert zu sehen. Wer frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt, kann die Folgen in vielen Fällen erheblich reduzieren.“ Gregor Samimi, Rechtsanwalt
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