Alkohol am Steuer und Schuldunfähigkeit – Hilfe vom Fachanwalt für Verkehrsrecht
Aktualisiert am 06.11.2019, 09:45 Uhr, durch RA Gregor Samimi
Alkohol am Steuer und Schuldunfähigkeit
T verursacht einen Unfall und verletzt dabei eine andere Person. Er hilft der verletzten Person sogar noch mit einem Druckverband und macht gegenüber der Polizei eindeutige und klare Angaben und einen völlig normalen Eindruck. Danach stellt sich heraus, dass T einen BAK-Wert (Blutalkoholkonzentration) von 3,0 Promille hat.
Was ist unter Schuldunfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit zu verstehen?
Die Begriffe der Schuldunfähigkeit und der Unzurechnungsfähigkeit werden synonym verwendet, wobei letzterer eher in der Umgangssprache verwendet wird. Bedeutsam wird die Schuldunfähigkeit im Strafrecht, wenn es darum geht, ob jemand für ein Verbrechen bzw. Vergehen bestraft wird oder nicht. Dabei kommt es darauf an, ob der Täter schuldhaft gehandelt hat oder nicht.
Was bedeutet eigentlich Schuld?
Um sich nach dem StGB strafbar zu machen, muss ein Täter schuldhaft gehandelt haben („Keine Strafe ohne Schuld“). Dies bedeutet, dass ein Täter zum Zeitpunkt der Tat die erforderliche Einsicht haben muss, um zu erkennen, dass er zu Unrecht handelt, oder die Fähigkeit haben muss, nach seiner Einsicht zu handeln. Schuldfähig ist grundsätzlich jeder, sofern er keiner Störung i. S. d. §§ 20, 21 StGB unterliegt. Eine Ausnahme stellen zudem Kinder unter 14 Jahren dar (§ 19 StGB). Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kommt es nach § 3 JGG auf die Reife an.
Wie definiert das Gesetz die Schuldunfähigkeit?
Das Gesetz unterscheidet zwischen der Schuldunfähigkeit bzw. Unzurechnungsfähigkeit (§ 20 StGB) und der sog. verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB).
Gem. § 20 StGB handelt schuldunfähig, also ohne Schuld, „wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“.
Im Video zum Unfall in Hamburg mit vier Toten: Ein extremes Beispiel für einen Autofahrer, der unter Epilepsie litt, und diese wohl als Grund für seine Schuldunfähigkeit anführen will.
Krankhafte seelische Störungen beruhen auf körperlichen Prozessen (z. B. Schizophrenie, Hirnschwund). Schwere seelische Abartigkeiten sind hingegen nicht auf organische Krankheiten zurückzuführen (z. B. Neurosen, Psychopathien, Triebanomalien). Tiefgreifende Bewusstseinsstörungen sind nur vorübergehende Zustände wie Hypnose, Schlaftrunkenheit oder hochgradige Affektzustände.
Verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB liegt vor, wenn die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert war. Ein Anwalt kann dabei helfen, eine solche Strafmilderung zu erreichen.
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Fachanwalt für Strafrecht, Verkehrsrecht & Versicherungsrecht
Kann bei Alkohol am Steuer eine Schuldunfähigkeit bzw. Unzurechnungsfähigkeit vorliegen?
Ja. Der Alkoholrausch ist eine vorübergehende Intoxikationspsychose. Da er auf körperlichen Ursachen beruht, wird der Rauschzustand infolge von Alkohol oder anderen Drogen teilweise zu den krankhaften seelischen Störungen gezählt, teilweise aber auch zu den vorübergehenden tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen.
Wie wird Schuldunfähigkeit festgestellt?
Die Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit obliegt in der Regel einem psychologischen Gutachter, wobei sich die Entscheidung an den Regelungen der §§ 20, 21 StGB orientiert. Dabei wird geprüft, ob eine Störung i. S. d. § 20 StGB vorliegt und, ob der Täter infolge dieser Störung zum Zeitpunkt der Tat unfähig war, das Unrecht einzusehen (Ausschluss der Einsichtsfähigkeit) oder nach dieser Einsicht zu handeln (Ausschluss der Steuerungsfähigkeit).
Zur Feststellung einer Unzurechnungsfähigkeit durch den Einfluss von Alkohol werden bestimmte Promillewerte als Richtwerte herangezogen, wobei zudem vor allem die Umstände des Einzelfalls wie z. B. Ausfallerscheinungen, Trinkgewohnheit, das tatsächliche Verhalten und die Schwere des Delikts zu berücksichtigen sind. So kann z. B. ein Alkoholabhängiger auch noch mit 3,5 Promille im Blut einsichtsfähig und damit schuldfähig sein, da er höhere Promillewerte gewohnt ist. Wenn es bei Ihnen darum geht, eine Schuldunfähigkeit festzustellen, kontaktieren Sie am besten einen Anwalt, bevor Sie irgendwelche Angaben zu Ihrem Trinkverhalten machen. Ihr Anwalt kann Ihnen dann sagen, auf welche Umstände in Ihrem Fall Rücksicht zu nehmen ist.
Beispiel: Im Eingangsfall wäre für die Feststellung einer Schuldunfähigkeit das Fehlen von Ausfallerscheinungen sowie das klare und eindeutige Verhalten des T zu berücksichtigen. Daher läge es nahe, dass T ein gewohnter Trinker oder Alkoholiker ist und auch mit 3,0 Promille noch nicht als schuldunfähig einzustufen ist. In diesem Fall wäre er ganz normal nach §§ 315c (Gefährdung des Straßenverkehrs), 316 (Trunkenheitsfahrt), 223 (Körperverletzung) (und 224 (gefährliche Körperverletzung)) StGB strafbar.
Welche Promillewerte gelten für die Schuldunfähigkeit bei Alkohol?
- 2,0 – 2,9 Promille: innerhalb dieser Werte liegt eine Tendenz zur Annahme verminderter Schuldunfähigkeit i . S. d. § 21 StGB
- 2,2 Promille: bei Tötungsdelikten wird aufgrund der erhöhten Hemmschwelle i. d. R. erst ab 2, 2 Promille eine verminderte Schuldfähigkeit angenommen
- 2,5 Promille: ab diesem BAK-Wert liegt die Vermutung für eine verminderte Schuldunfähigkeit besonders nahe; im Einzelfall kann auch schon Schuldunfähigkeit vorliegen
- 3,0 Promille: ab diesem BAK-Wert wird i. d. R. von Schuldunfähigkeit i. S. d. § 20 StGB ausgegangen
- 3,3 Promille: bei Tötungsdelikten wird aufgrund der erhöhten Hemmschwelle i. d. R. erst ab 3, 3 Promille eine Schuldunfähigkeit angenommen
Lassen Sie am besten von Ihrem Anwalt prüfen, ob die Feststellung der Schuldunfähigkeit noch anhand anderer Merkmale als der Promillewerte erfolgt ist. Die Promillewerte stellen nämlich keine starren Grenzen dar, sondern dienen lediglich als Anhaltspunkte.
Welche Folgen hat eine Schuld- oder Unzurechnungsfähigkeit bei Alkohol am Steuer?
Wer schuldunfähig ist, kann nicht für die Begehung dieser Tat bestraft werden. Wenn jemand zum Zeitpunkt der Tat nach § 21 StGB vermindert schuldfähig war, kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden. Bei der verminderten Schuldfähigkeit lohnt es sich oft einen Anwalt hinzuzuziehen, da das Gericht die Strafe nicht mildern muss, sondern „kann“.
Kann man also einer Strafe wegen Alkohol am Steuer durch die Schuld- oder Unzurechnungsfähigkeit entgehen?
Nein. Man kann zwar möglicherweise der Strafe für das im Rauschzustand begangene Delikt, wie z. B. der Trunkenheit am Steuer entgehen, muss aber mit einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bzw. in einem psychiatrischen Krankenhaus (§§ 61 ff. StGB) oder einer Strafbarkeit wegen des Herbeiführens der eigenen Schuldunfähigkeit gem. § 323a StGB rechnen.
Wie sieht die Strafe für einen schuldunfähigen Fahrer aus & wie kann ein Anwalt helfen?
Bei Schuldbefreiungen wegen Alkohol greift in der Regel der § 323a StGB ein. Danach wird derjenige bestraft, der sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht, für die er wegen der Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden kann. Die Strafe (Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) darf jedoch nicht schwerer sein, als diejenige für das im Rausch begangene Delikt. So sollen Täter wegen schwerer Folgen des Betrinkens nicht straflos davon kommen. Ihr Anwalt kann Ihnen im Einzelfall sagen, ob bei Ihnen eine solche Strafbarkeit in Betracht kommt, regelmäßig wird dies jedoch der Fall sein.
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Darüber hinaus kann teilweise trotzdem nach den Grundsätzen der sog. „actio libera in causa“ bestraft werden, wenn z. B. bereits beim Herbeiführen des Rausches ein Vorsatz für die spätere Tat vorlag. Nach verbreiteter Rechtsauffassung wird die „a.l.i.c.“ jedoch nur bei Erfolgsdelikten und nicht bei eigenhändigen Delikten wie den §§ 315c (Gefährdung des Straßenverkehrs), 316 (Trunkenheitsfahrt) StGB angewendet. Bedeutsam wird sie bei einem Unfall mit Sach- oder Personenschaden, da dann zusätzlich zu den §§ 315c, 316 StGB z. B. eine Sachbeschädigung (Erfolgsdelikt, § 303 StGB), eine Körperverletzung (Erfolgsdelikt, § 223 StGB) oder ein Totschlag (Erfolgsdelikt, § 212 StGB) vorliegt.
Beispiel: A möchte seinen Feind F mit dem Auto überfahren. Um sich dafür zu ermutigen und gleichzeitig einer Strafe zu entgehen, betrinkt er sich absichtlich bis zu einem Wert von 3,5 Promille im Blut und überfährt und tötet anschließend den F mit dem Auto.
Da A sich sowohl betrinken will als auch den F töten will (Doppelvorsatz), wird hier nach den Grundsätzen der „a.l.i.c.“ bestraft. Jedoch nur, weil hier zur Trunkenheitsfahrt und zur Gefährdung des Straßenverkehrs der Totschlag dazu kommt. Ohne Sach- oder Personenschaden kommen bei Alkohol am Steuer nur die Gefährdung des Straßenverkehrs und die Trunkenheitsfahrt in Betracht, wobei bei Unzurechnungsfähigkeit auf den Tatbestand des § 323a StGB zurückgegriffen wird.
Haben Sie einen Unfall mit Sach- oder Personenschaden im schuldunfähigen Zustand wegen Alkohol verursacht, sollten Sie auf jeden Fall einen Anwalt kontaktieren. Da die Anwendung der „a.l.i.c.“ im Einzelfall komplex und umstritten ist, kann ein Anwalt möglicherweise helfen, einer Strafbarkeit nach diesen Grundsätzen entgehen.
Zum Entzug der Fahrerlaubnis sowie einer MPU kommt es übrigens in der Regel trotz Unzurechnungsfähigkeit am Steuer.
Zahlt die Versicherung bei einem schuldunfähig verursachten Unfall mit Alkohol am Steuer?
Bei einer Trunkenheitsfahrt wegen Unzurechnungsfähigkeit kann sich die Versicherung weigern, für den Schaden bzw. den vollen Schaden aufzukommen. Beim Vorliegen einer Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt ist, wie bei der Strafbarkeit des Vollrauschs nach § 323a, zu unterscheiden, ob die Unzurechnungsfähigkeit fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt wurde. Bei einer fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführten Schuldunfähigkeit kann die Versicherung dann die Zahlung verweigern. Auch hier kann ein Anwalt evtl. helfen, die Versicherung zur Zahlung zu verpflichten, sofern keine Fahrlässigkeit vorlag.
Immer einen Fachanwalt für Verkehrsrecht hinzuziehen
Für eine bestmögliche Vertretung sollten Sie einen Spezialisten, nämlich einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, mit der anwaltlichen Vertretung beauftragen. Dieser wird Ihnen beratend zur Seite stehen und kann auf eine frühzeitige Erledigung Ihres Anliegens hinwirken.
Rechtsanwalt Gregor Samimi ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Strafrecht in 12203 Berlin (Steglitz-Zehlendorf). Telefon 030 8860303. Kontaktieren Sie uns! Wir helfen Ihnen gerne weiter!