Carsharing – Hilfe durch Gregor Samimi, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin. Aktualisiert am 05.12.2023, 18:00 Uhr, durch RA Gregor Samimi
Carsharing und Verkehrsunfall: Schadensersatz und Regress rechtsmäßig?
Mit der Zahl der Carsharingnutzer steigen auch die gemeldeten Schadensfälle an den Fahrzeugen. Denn Kratzer und Dellen an den Boliden sind keine Seltenheit und schlagen finanziell mächtig zu buche. Dabei stellt sich dem Nutzer immer wieder die Frage, wer für Schäden an dem gemieteten Fahrzeug aufzukommen hat. Die Antwort auf diese und andere Fragen findet sich – wie so häufig – im Kleingedruckten, im Gesetz oder wurde von Seiten der Gerichte entschieden. Oftmals besteht weiterhin die Pflicht, auch bei geringen Mängeln, die Polizei zu verständigen, die den Unfall protokolliert. Carsharing ist insbesondere unter Jugendlichen beliebt. Durch die mit dem Car-Sharing Unternehmen vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung wähnen sich die Jugendlichen, was insbesondere die möglichen Schäden am Mietwagen betrifft, oft auf der sicheren Seite. Dabei kann der Unfall nach dem Überfahren eines Stopp-Schildes (mitunter unter Drogen- oder Alkoholeinfluss) oder das Ausweichen vor einem Kleintier mit darauffolgendem Unfall, richtig teuer werden. Dabei stellen sich dem Nutzer in der Praxis eine Reihe von Fragen, denen hier nachgegangen werden soll
Carsharing und Regress – Ein Fall aus der anwaltlichen Praxis
Immer wieder werden Mieter von Carsharing-Fahrzeugen von den Car-Sharing-Unternehmen auf Zahlung des verursachten Schadens in Anspruch genommen. Oft meldet sich bei ihnen eine Anwaltskanzlei, die den Mieter auffordert, einen bestimmten Betrag nebst Anwaltsgebühren zu zahlen bzw. zur Abwendung des Mahnverfahrens, ein schriftliches Schuldanerkenntnis abzugeben. In einem konkreten und von uns bearbeiteten Fall, forderte eine Rechtsanwaltskanzlei aus Hamburg, namens und in Vollmacht des Unternehmens, die Mandantin Frau Maria G. (der Name der Mandantin wurde geändert-32/22) auf, an die Rechtsanwaltskanzlei insgesamt 10.015,39 Euro zuzüglich 885,80 Euro Rechtsanwaltsgebühren, zu zahlen. In dem Aufforderungsschreiben der Hamburger Rechtsanwälte heißt es unter anderem:
Sehr geehrte Frau G., in vorbezeichneter Unfallsache vom 22.10.2021 hat uns die Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges (amtliches Kennzeichen: HH-…), SHARE NOW GmbH, Brunnenstraße 19-21, 10119 Berlin, mit der Wahrnehmung ihrer Rechtsinteressen und Geltendmachung der ihr zustehenden Schadensersatzansprüche beauftragt. Auf uns lautende Vollmacht ist in Fotokopie beigefügt. Ausweislich der uns vorliegenden Informationen haben Sie es versäumt, den deutlich sichtbaren Schaden am Fahrzeug unserer Mandantin zeitgemäß vor Fahrtantritt zu melden. Wir verweisen auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unserer Mandantin, insbesondere auf §§9, 11. Demnach sind Sie somit allein für den entstandenen Schaden haftbar. Nachstehend beziffern wir den entstandenen Schaden vorläufig wie folgt:
Reparaturkosten gemäß anliegendem Gutachten | 9.465,39 € |
Nutzungsausfall 7 Tage á 65,00 € | 455,00 € |
Sachverständigenkosten | 65,00 € |
Nebenkostenpauschale (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.03.2012, 17 U 276/0904) | 30,00 € |
Summe | 10.015,39 € |
Rechtsanwaltsvergütung | 885,80 € |
Als die Mandantin keine Zahlungen leistete, beantragte die Rechtsanwaltskanzlei einen Mahnbescheid. Gegen diesen legte die Mandantin fristgerecht Widerspruch ein. Das Verfahren wurde sodann an das Landgericht Berlin abgegeben. Gegenüber dem Landgericht Berlin begründete die Rechtsanwältin die Klage nunmehr wie folgt (verkürzte Darstellung):
[…] Gegenstand der Klage sind Schadensersatzansprüche aus einem Schadenereignis, welches sich am 22.10.2021 in der Zeit zwischen 12:21 Uhr und 12:38 Uhr in 12161 Berlin ereignete.
I.
Halterin des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen HH-… ist die Klägerin – ein Carsharing Unternehmen -, welche die Fahrzeuge vermietet.
Die Beklagte mietete am 22.10.2021 gegen 12:21 Uhr das klägerische Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH-… mittels ihres vorhandenen Accounts durch eine App bei der Klägerin an. Bei Abschluss des Vertrages akzeptierte die Beklagte mittels Betätigens eines hierfür separat vorgesehenen Kästchens auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.Die Beklagte meldete nach Mietende einen erheblichen Sachschaden am klägerischen Fahrzeug. Unstreitig hat die Beklagte diesen nicht vor Fahrtantritt bei der Klägerin gemeldet, obgleich sie nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet war, vor Fahrantritt das Fahrzeug auf Schäden zu prüfen und vorhandene Schäden bei der Klägerin vor Fahrtantritt zu melden. Der Vormieter hatte das Fahrzeug auf Schäden geprüft und unbeschädigt abgestellt.
Es war ein erheblicher und äußerlich erkennbarer Sachschaden vorhanden, den die Beklagte hätte– auch unter Berücksichtigung der Tageszeit – 12:21 Uhr – und den entsprechenden Lichtverhältnissen – wahrnehmen müssen, sofern dieser bei Mietbeginn vorhanden gewesen sein sollte. Die Klägerin geht jedoch davon aus, dass das klägerische Fahrzeug während der Miete von der Beklagten selbst beschädigt worden ist.Sollte die Beklagte den Schaden nicht selbst verursacht haben, haftet diese aufgrund des bestehenden Mietvertrages in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls für den entstandenen Schaden. Nach § 9 Abs. 2 e) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug vor Fahrtantritt auf offensichtliche Mängel zu prüfen und diese gemäß § 11 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unverzüglich zu melden. Der Schaden am klägerischen Fahrzeug war erheblich und war ohne weiteres für die Beklagte wahrzunehmen, sofern dieser bei Fahrtantritt bereits vorgelegen haben sollte. Unstreitig meldete die Beklagte den Schaden nicht vor Fahrtantritt nicht.
Die Vorschriften der §§ 9, 11 und 12 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen halten auch der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB stand. Es sind weder überraschende Klauseln noch wird die Beklagte unbillig belastet. […]
Gegen diese Forderung verteidigte sich die Mandantin. Wir beantragten für die Mandantin, die Klage vollumfänglich abzuweisen. weil unter anderem nicht dargelegt und bewiesen worden sei, dass der Schaden nicht schon vor Fahrtantritt vorhanden gewesen sei. Zudem kam in dem konkreten Fall heraus, dass es sich bei der Share Now GmbH nicht um die Eigentümerin des verunfallten Fahrzeuges handelt. Eigentümer soll vielmehr die A. Fuhrparkmanagement GmbH sein. Hierzu heißt es in dem vorgelegten Schreiben: „Gemäß den AGB der A. Fuhrparkmanagement GmbH ist der Leasingnehmer berechtigt und verpflichtet, die ihm abgetretenen Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Diese Ansprüche können Sie im Namen Ihres Mandanten klageweise geltend machen.
Schlussendlich nahm die Share Now GmbH die Klage, vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, beim Landgericht Berlin überraschend zurück und bezahlte alle aufgelaufenen Gebühren und Auslagen, zur Freude der Mandantin!
Carsharing – Rechtsschutzversicherung will keinen Deckungsschutz erteilen
In einem aktuellen Fall lehnt es die D.Rechtsschutz-Schadenabwicklung GmbH ab, die Kostenübernahme für die Auseinandersetzung gegenüber dem Car-Sharing-Unternehmen zu erklären:
„Sehr geehrter Herr Samimi,
Sie haben uns gebeten, die Kosten für einen Rechtsschutzfall zu übernehmen. Gerne bieten wir Unterstützung, wenn Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollen. Hier jedoch geht es darum, Schadensersatzansprüche anderer abzuwehren. Das wiederum übernimmt in der Regel die Haftpflichtversicherung. Bitte informieren Sie daher umgehend die Kfz- oder Privat-Haftpflicht-Versicherung, damit diese prüft, welche Kosten vom dortigen Versicherungsschutz abgedeckt sind.“
Achtung: Diese Rechtsauffassung ist in der Regel nicht richtig, weil es sich in derartigen Fällen nicht um die Abwehr eines Schadensersatzanspruches handelt, sondern um einen vertraglichen Regressanspruch aus dem Mietverhältnis. Dies wird von den Rechtsschutzversicherern mitunter übersehen!
Tipp: In derartigen Fällen sollten Sie den Rechtsschutzversicherer bitten, seine Rechtsauffassung nochmals zu überprüfen.
Nicht immer ist der geltend gemachte Regressanspruch nachvollziehbar
Mitunter machen Car-Sharing-Unternehmen gegenüber dem Mieter Regressansprüche geltend, die nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind. In einem konkreten Fall bremste unser Mandant das Mietfahrzeug staubedingt ab. Hierbei fuhr das nachfolgende Fahrzeug auf der Abfahrt der Stadtautobahn auf das Mietfahrzeug auf und beschädigte es. Das Car-Sharing-Unternehmen nahm unseren Mandantin auf Schadensersatz in Regress, welcher erfolgreich abgewehrt werden konnte.
In einem anderen Fall schreibt ein Car-Sharing Unternehmen dem Mandanten Jochen S.: „Aus den beiliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass zum genannten Zeitpunkt durch Sie ein Schaden verursacht wurde. Trotz der abgeschlossenen Haftungsbefreiung müssen wir Sie aufgrund – Missachtung des Stopp-Schildes mit dem in der beillegenden Aufstellung bezifferten Schaden belasten.“ Auch hier verlangt das Unternehmen von dem Berufseinsteiger mehrere tausend Euro ersetzt.
Verjährung der Ansprüche
TiPP: Ansprüche des Carsharingunternehmens verjähren binnen 6 Monaten nach der Rückgabe des Fahrzeuges, wenn der Anspruch nicht gehemmt oder unterbrochen wird.